Liberalisierung und Widerstand in Ostdeutschland seit 1989/90. Ein soziologisches Laboratorium

2017 begründete PD Dr. Yana Milev das Forschungsprojekt Entkoppelte Gesellschaft. Liberalisierung und Widerstand in Ostdeutschland seit 1989/90. Ein soziologisches Laboratorium, das auf eine mehrbändige Edition angelegt ist. Die Forschungsedition wird seit 2018 vom Internationalen Wissenschaftsverlag Peter Lang Berlin unter dem Titel Entkoppelte Gesellschaft – Ostdeutschland seit 1989/90 mit den Einzelbänden Anschluss, Umbau, Exil, Tatbestände, Zeugnisse/Fotografie, Zeugnisse/Film, Räume, Szenen, Stimmen,  Welche Zukunft?, herausgegeben. Es handelt sich hierbei um eine komplexe kultur- und sozialwissenschaftliche Aufarbeitung der gesellschaftlichen Ereignisse in Ostdeutschland seit 1989/90 unter Berücksichtigung von relevanten Vorarbeiten und Diskursen. Die Forschung thematisiert u.a. die Staatensukzession des BRD-Kernstaates im DDR-Beitrittsgebiet, die Vernichtung des DDR-Volksvermögens durch die Treuhandpolitik, die Assimilationspolitik einrückender bundesdeutscher Behörden und Medien auf dem Gebiet der Post-DDR, die kulturhegemoniale Subordination und Diskriminierung DDR-Sozialisierter im vereinigten Deutschland, die demographischen Einbrüche, Folgen und Spätfolgen. Es werden erstmalig Quantifizierungen, d.h. Zahlen zu den Arbeitskämpfen zwischen 1990 und 1994, zu den Freisetzungen im Wissenschaftsbetrieb oder zu Traumafolgen, komorbide Erkrankungen und Deaths of despair vorgelegt.

Schriftenreihe Peter Lang-Internationaler Verlag der Wissenschaften:

Das Forschungsprojekt Entkoppelte Gesellschaft. Liberalisierung und Widerstand in Ostdeutschland seit 1989/90. Ein soziologisches Laboratorium wird seit 2018 als neun-bändige Schriftenreihe unter dem Titel Entkoppelte Gesellschaft – Ostdeutschland seit 1989/90 mit den Einzelbänden Anschluss, Umbau, Exil, Tatbestände, Zeugnisse/Fotografie, Zeugnisse/Film, Räume, Szenen, Welche Zukunft?, vom Internationalen Wissenschaftsverlag Peter Lang Berlin herausgegeben.

Der Band 4 «Tatbestände» wurden zusammen mit Franz Schultheis, dem damaligen Leiter des SfS-HSG, herausgegeben. In diesem Band konnte die Studie «Gesellschaft mit begrenzter Haftung: Zumutungen und Leiden im deutschen Alltag», die zusammen mit Kristina Schulz im Anschluss an die Studie Pierre Bourdieus «Das Elend der Welt» 2005 durchgeführt wurde, übernommen werden. Diese Studie gehört zu den Pionierarbeiten auf dem Gebiet der empirischen Sozialforschung in Ostdeutschland. Entsprechend liegen mit diesem Beitrag von Schultheis und Schulz der Schriftenreihe «Entkoppelte Gesellschaft» Fallstudien von Olaf Groh-Samberg, Carsten Keller, Berthold Vogel, Margareta Steinrücke, Juliane Krämer und anderen vor.

Mit der monografische Trilogie Anschluss, Umbau, Exil entwickelt Milev auf etwa 1.400 Seiten eine Grounded Theory der so genannten deutsch-deutschen „Wiedervereinigung“ im Fokus der NATO- und EU-Osterweiterung. Sie analysiert die Implikationen und Symptome einer plötzlichen und dauerhaften gesellschaftlichen Entkopplung. In diesem Theoriewerk wird u.a. eine Dritte Schuld“, die an Ralph Giordanos „Zweite Schuld“ anknüpft, argumentativ hergeleitet.

Forschungsauftrag

Das Projekt wurde durch die Beobachtung eines Widerspruchs zwischen veröffentlichter Meinung zur deutschen Einheit und den sozialen Tatsachen motiviert. Beobachtet wurde, dass die Haupakteure der deutschen Einheit, die DDR-Bürgerinnen und -Bürger, ab 1990 nicht hinreichend an der Meinungsbildung beteiligt wurden. Laut Umfragen fühlen sich DDR-Sozialisierte als Bürger zweiter Klasse, was bis in die dritte und vierte Generation Ost hineinwirkt Erhebungen belegen eine erlebte Ungleichbehandlung von Ostdeutschen vor dem Gesetz, auf dem ersten Arbeitsmarkt, ihren Ausschluss aus Karrieren und Elitepositionen, wie auch ihre Marginalisierung, was zu sozialer Unsichtbarkeit und anderen Beschädigungen führte. Ab 2016 sehen sich viele Ostdeutsche durch die aufstrebende Partei Alternative für Deutschland, die 2017 als Fraktion in den Deutschen Bundestag einzieht, repräsentiert. Die vorherrschende vor allem westdeutsche Meinung, dass ehemalige DDR-Bürgerinnen und -Bürger diktatursozialisiert und folglich nationalsozialistisch und rechtsradikal orientiert seien, greift hier eindeutig zu kurz. Die Intention für das publizistische Projekt Entkoppelte Gesellschaft liegt in der Analyse und Darstellung der gesellschaftlichen Vorgänge jenseits etablierter Narrative.

Laufzeit des Forschungsprojektes: 2017 bis 2022

Verlängert bis 2025