Zeugnisse des sozialen und kulturellen Verschwindens in Ostdeutschland seit 1989/90

Institute for Cultural Studies in the Arts (ICS) (bis 2019)

Original Artikel zu finden: Hier


«Zeugnisse des sozialen und kulturellen Verschwindens in Ostdeutschland seit 1989/90» ist der vierte Teil des mehrteiligen publizistischen Projektes: «Entkoppelte Gesellschaft. Liberalisierung und Widerstrand in Ostdeutschland seit 1989/90», den Yana Milev zusammen mit dem Fotografen / Ethnografen Philipp Beckert erarbeitet. Es handelt sich in dieser Teilstudie um die Fortsetzung des Diskurses der blinden Flecken, der abgeschafften und mittlerweile verschwundenen Kultur- und Lebensräume, anhand von Fotografien und Filmen, von Reportagen in und aus der DDR.
 

Das mehrteilige publizistische Projekt von Yana Milev «Entkoppelte Gesellschaft. Liberalisierung und Widerstand in Ostdeutschland seit 1989/90», welches ab 2018 vom Verlag Peter Lang Academic Publishers Berlin, Bern, Brüssel, Frankfurt, Oxford, New York, Wien herausgegeben wird, untersucht und beschreibt den Prozess der Beschädigung, Herabsetzung und Entwertung der Alltagskultur und des kulturellen Erbes der DDR, der gemeinhin als «Wende» in die deutsch-deutsche Geschichte eingegangen ist. Bis zum heutigen Tag wird dieser Abschnitt deutscher Sozialgeschichte aus westdeutschem Blickwinkel konstruiert. Die Thematisierung kolonialer Gewalt in Bezug auf die Abwicklung der DDR ist in den Diskursen nicht erwünscht, sogar politisch nicht korrekt. Zahlreiche Publikationen, Studien und Statistiken belegen dies. Nachweislich sind bis heute die dafür zuständigen Institute, Behörden, Medien und Formate von ostdeutschen Wissenschaftler*innen (in den Jahrgängen 1945 bis 1975) frei gehalten. Das Projekt will vor allem dieser Leerstelle Rechnung tragen und eine authentische Sicht entwerfen, eine Sicht aus dem Feld sozialer Betroffenheit. 

«Zeugnisse des sozialen und kulturellen Verschwindens in Ostdeutschland seit 1989/90» ist der vierte Teil des mehrteiligen publizistischen Projektes, den Yana Milev zusammen mit dem Fotografen und Ethnografen Philipp Beckert erarbeitet. Es handelt sich in dieser Teilstudie um die Fortsetzung des Diskurses der blinden Flecken, der abgeschafften und mittlerweile verschwundenen Kultur- und Lebensräume, anhand der Zeugenschaft in Fotografie und Film, von Reportagen in und aus der DDR. Das Eingangsmotiv «Verschwinden heißt Vergessen» verweist auf die Problematik der Entwurzelung von betroffenen Ostdeutschen und auf die Möglichkeit der Reversion in einen Erinnerungsdiskurs. Verschwinden heißt Vergessen – und Wiedererinnern im Film und in der Fotografie. 

Neben weiteren Protagonisten wird in diesem Band das filmische Werk des Filmregisseurs Jürgen Böttcher prominent besprochen. Die Filme von Jürgen Böttcher sind in der DDR entstanden und haben sich an der DDR gerieben. Sie haben die Gesichter der Menschen zum Thema, ihre Geschichten dahinter und die Utopie von der Freiheit des unverbrauchten Seins. Formalistisch ist Jürgen Böttcher ein Pionier der neuen deutschen Filmgeschichte. Seine Filme allerdings wären nicht außerhalb der DDR diese Filme geworden. Soziologisch gesehen sind seine Filme von damals heute wieder brisant: als Erinnerungsarbeit an einer tabuisierten Sozialgeschichte. 

Das besondere Verdienst am filmischen Werk Jürgen Böttchers besteht darin, dass er wie kaum ein Anderer ein umfassendes Zeugnis mit über vier Dutzend Filmen jener Zeit den Überlebenden der Wende und der nächsten Generationen zur Verfügung stellt. «Erinnern bedeutet Sinnstiftung», so Alaida Assmann in ihrem Aufsatz «Zur Metaphorik der Erinnerung». Die Filme Böttchers sind mnemotechnische Rekonstruktionen eben jener sozialen Felder, die durch Abwicklung und Entwertung kolonisiert wurden. Er zeigt die Menschen, bevor sie mit 1989 zu Abgehängten des deutsch-deutschen Projektes wurden.

Bild: Collage mit Filmstills aus «Jahrgang 45», Jürgen Böttcher, 1966

Details

Forschungsschwerpunkt

FSP Kulturanalyse in den Künsten (bis 2019)

Projektleitung

Yana Milev (ICS (bis 2019))

Kooperationen

NUXN Photos, Plattform für Fotografie und Visuelle Soziologie Peter Lang AG, Internationaler Verlag der Wissenschaften Franz Schultheis, Universität St. Gallen, Soziologisches Seminar SfS-HSG

Laufzeit

01.09.2017 – 31.12.2018

Finanzierung

Interne Projektfinanzierung ZHdK (01.09.2017 – 31.12.2018)

Schlagworte

Film
Fotografie
Entwurzelung
Wende
DDR
Erinnerung/Gedächtnis
soziale Ungleichheit

Output

Monografien

Milev, Yana (2019): Entkoppelte Gesellschaft – Ostdeutschland seit 1989/90. Anschluss. 1. Berlin: Peter Lang. Online unter: https://doi.org/10.3726/b14816.